„Hooligans gegen Salafisten“: Was passierte da in Köln?
Das Netzwerk „Hooligans gegen Salafisten“ (kurz: HoGeSa) hatte zum vergangenen Sonntag zu einer Demonstration in Köln aufgerufen. Die Veranstalter wollten laut eigener Aussage auf die Gefahr des Salafismus für Deutschland aufmerksam machen und gegen islamistischen Terror demonstrieren. Rund 4000 Demonstranten aus dem ganzen Bundesgebiet folgten diesem Ruf. Während der Demonstration kam es zu Sachbeschädigungen und gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei. Viele Polizisten wurden dabei verletzt.
Felix M. Steiner schreibt auf Publikative.org über seine Wahrnehmung der Vorgänge während der Demonstration. Unter den Protestierenden seien nicht nur Fußballfans und Hooligans, sondern auch viele bekannte Rechtsradikale und Neonazis gewesen. Aus der Menge der Demonstranten seien immer wieder eindeutig fremdenfeindliche und rechtsextreme Parolen zu vernehmen gewesen. Journalisten seien eingeschüchtert und bedroht worden. Die Lage eskalierte, Hooligans warfen Steine und Flaschen, woraufhin die Polizei Wasserwerfer und Pfefferspray eingesetzt hatten. Allerdings sei der Einsatz gegen die gewalttätigen Demonstranten nicht konsequent genug gewesen, so dass die Gewalt immer wieder aufflammen konnte.
Auf Die Freiheitsliebe betont Julius Jamal insbesondere, wie überfordert die Polizei bei all dem gewirkt habe. Sie habe es nicht vermocht, die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Nur äußerst knapp habe die Polizei gewaltsame Übergriffe der Hooligans auf linke Gegendemonstranten verhindern können. Doch nicht nur der Polizei wirft Jamal Versagen vor, auch die Linken hätten das Potential der rechten Proteste verkannt und es versäumt, zu einer angemessen breit aufgestellten Gegendemonstration zu mobilisieren.
Doch wer hat da eigentlich zu den Protesten aufgerufen? Was bzw. wer steckt hinter HoGeSa? Das sei gar nicht so einfach zu beantworten, schreibt Patrick Gensing auf einem Beitrag auf Publikative.org. Bei HoGeSa handle es sich um keine einheitliche, fest organisierte Gruppe. Sie mobilisiere über die sozialen Netzwerke und biete „niedrigschwellige“ (Mitmach-) Angebote, was sie für verschiedene Seiten attraktiv mache. Laut Gensing orientieren sich die HoGeSa-Organisatoren merklich an der rassistisch-islamkritischen „English Defense League“, die an ganz unterschiedliche politische Strömungen andocken könne. Zwar wehren sich einige innerhalb des Netzwerkes dagegen, in die rechte Ecke gestellt zu werden, Gensing geht aber davon aus, dass der Anteil der Rechtsextremen bei weiteren Demonstrationen noch zunehmen wird.
Auf 50 Shades of Hate blickt Lena Bellamy zugleich zornig und hilflos auf die Vorkommnisse in Köln. Sie fragt sich, was denn eigentlich los sei in diesem Land. Eine plumpe Fremden- und Ausländerfeindlichkeit mache sich immer weiter breit. Die Demonstration in Köln sei da nur symptomatisch. Die – ja durchaus verständliche – Gegnerschaft gegen den „Islamischen Staat“ (IS) werde als Vorwand genommen, um gegen den Islam und überhaupt alles Fremde zu mobilisieren. Gezielte Stellungnahmen gegen den IS oder den Salafismus seien während der Demonstration nämlich kaum zu vernehmen gewesen, dafür aber viele deutschtümelnde und (fremden-) hasserfüllte Parolen. Dieses Schüren von Ängsten gegen alles Fremde, das zunehmend verfange, bereitet Bellamy große Sorge.
Frank Lübberding stört auf wiesaussieht, dass es sich irgendwie alle zu leicht machen. Die Linken erklären einfach alle Demonstranten zu Nazis, die Polizei spreche von „unpolitischen Gewalttätern“, denen es nur um Krawalle gegangen sei. Das tieferliegende Problem werde dabei verkannt bzw. ignoriert: Der Salafismus werde in den öffentlichen Debatten so übertrieben zur Gefahr für Deutschland hochgejazzt, dass es kein Wunder sei, dass sich die HoGeSa-Demonstranten als Verteidiger Deutschlands verstehen könnten – wie objektiv unbegründet das auch immer sein möge.
Mit schnellen Urteilen oder einfachen Erklärungen ist das bei Konflikten immer so eine Sache. Man erfasst mit ihrer Hilfe oftmals einen Teilaspekt, selten aber die „ganze Sache“. In der Tat erscheint es notwendig, nach den tieferliegenden Gründen für die Demonstration in Köln zu fragen. Welches sind die Motive? An welche gesellschaftlich kursierende Gefahrenwahrnehmung schließen die Demonstranten an? Welche Gefühle der Bevölkerung greifen sie auf? Die Gewalt ist deutlich zu verurteilen. Vielleicht ist sie für die Zukunft aber auch (besser) zu verhindern, wenn man versteht, woran sie sich entzündet. Neue HoGeSa-Demonstrationen wurden bereits angekündigt.